Die Suche nach der ersten großen Wasserhöhlein der Frankenalb bei Mühlbach
Schon um 1990 zeigte uns Richard Rackl (ein Mühlbacher Bürger und Vereinsmitglied) im tiefen Hangbereich am Ortsrand von Mühlbach eine Stelle, an der im Jahr 1909 ein Hochwasserausbruch stattgefunden haben sollte. Bei der Ortsbegehung an einem heissen Sommertag fiel uns die Kühle in diesem Waldstück auf. Nachdem wir an einigen Stellen das trockene Laub am Boden entfernt hatten, kam uns ein deutlich wahrnehmbarer eiskalter Luftzug aus Spalten im Hangschutt entgegen. Ein Zusammenhang mit der Bewetterung der Warm-Kalt-Höhle lag nahe.
Wie viele andere Orte war auch Mühlbach vom Jahrhunderthochwasser 1909 betroffen; Damals regnete es nach einer vorherigen, starken Frostperiode tagelang. Die anfallenden Wassermassen sammelten sich auf der Hochfläche um Eutenhofen rasch zu einem großem See. Die Mulde ohne Abflußmöglichkeit – ein so genanntes Polje – füllte sich mit Wasser, weil der Untergrund gefroren war. Schnell wuchs die Seefläche auf 5 qkm an. Den Wasserfluten fielen 40 Stück Kleinvieh und 7 Stück Großvieh zum Opfer.
Bei einer durchschnittlichen Wassertiefe des Sees von ein bis zwei Metern errechnete sich eine Wassermenge von 5 bis 10 Millionen Kubikmetern. Dies entspricht einer Menge, wie es sich in mindestens 25 km Strecke Rhein-Main-Donau-Kanal befindet.
Am Grund des Sees tauten dann nach einigen Tagen die Schluckstellen auf, und binnen 27 Stunden floss das gesamte Wasser in den Untergrund ab, das entspricht ca. einer Abflußgeschwindigkeit von 80.000 Litern pro Sekunde. Kurz danach brach genau an der besagten Hangstelle der größte Teil dieser Wassermenge aus dem Berg. Ein alles mit sich reißender, 4 m breiter und 2 m tiefer Fluß bahnte sich durch den Ort Mühlbach seinen Weg zur Altmühl. Bei diesen Fakten wurde uns klar: Der Abfluss konnte wohl nur durch ein riesiges grossräumiges Höhlensystem erfolgt sein! Nach überschlägigen physikalischen Rechnungen gingen wir von 2 Metern Mindestdurchmesser der zu erwartenden Gänge aus. Das hieß, sollten unsere Überlegungen stimmen – und nichts sprach dagegen -, so waren wir allein auf Grund der vom Wasser zurückgelegten Strecke und der gigantischen Wassermenge einer bisher in der Fränkischen Alb einzigartigen Höhle auf der Spur.
Grund genug, um die Ausbruchstelle näher in Augenschein zu nehmen. Grundlage mußte eine genaue Außenvermessung des besagten Geländes sein: So konnten alle Luftaustritte und alle anstehenden Felswände räumlich zueinander in Beziehung gesetzt werden: Wir erhofften uns dabei Hinweise auf die Stelle, an der die Hauptmenge des Wassers ausgetreten war. Zunächst wurden Hangneigung und die Richtung der einzelnen Gräben und Trockentäler exakt bestimmt.
Anschließend wurden mit einem selbstgebauten Meßgerät die einzelnen Höhenlinien aufgenommen, aus denen sich die Hangformen erkennen lassen.
Das Ergebnis ist eine stark vereinfachte Darstellung des Geländes in Form von Netzlinien, in die unsere unterirdischen Sondierungen eingeblendet werden können. Aus derartigen Meßwerten läßt sich im Computer ein räumliches Landschafts- bild erstellen.
Zusätzlich setzten wir an verschiedenen Stellen Probegrabungen an, um so weitere Informationen über die Schutthalde zu sammeln, die sich seit 1909 über die Ausbruchsstelle gelegt hatte. Auf der Grundlage der so gewonnenen Daten begannen wir am 20. Juni 1998 an der aussichtsreichsten Stelle mit unseren Sondierungen.
Um Unfällen vorzubeugen, haben wir die Grabung von Anfang an mit einer massiven Tür gesichert. Außerdem konnten wir dadurch der ständigen Zugluft Herr werden und auch noch „angenehmere“ Arbeitsbedingungen schaffen.
Für den Vortrieb haben wir eine spezielle Arbeitstechnik entwickelt, die unsere eigene Sicherheit und einen raschen Vortrieb gewährleistet.
Beim Graben am Stollenende wird immer alles sofort abgestützt: So kann nichts unerwartet nachrutschen. Die Wand- und Deckenbretter werden millimetergenau außerhalb des Stollens zurechtgesägt und unter Tage eingepaßt. Damit die benötigten Maße und Werkzeuge rasch zur Stelle geschafft werden können, haben wir eine Telephonanlage installiert, die von verschiedenen Punkten im Stollen aus benutzt werden kann. Da bei den Meißelarbeiten bisweilen recht viel Staub anfiel, mussten wir zeitweise mit einer Schlauchkonstruktion für die Frischluftzufuhr sorgen. Das war besonders dann der Fall, wenn wir auf massiven Fels stießen: Ohne schweres Gerät war hier kein Weiterkommen (Leihgabe aus dem Ort) Auch mit dieser technischen Hilfe brauchten wir für einen sechs Meter tiefen Schacht noch fast ein halbes Jahr.
Er war allerdings nötig, damit wir den Stollen auf einem viel tieferen Niveau fortsetzen und dort dem Luftzug weiter folgen konnten.
Der anfallende Abraum wurde in Zementeimer abgefüllt – 25 davon waren ständig im Einsatz: Sie wurden in Kunststoffwannen gestellt, die dann mit Seilen die langen und teils stark geneigten Stollenstrecken hinaus ins Freie gezogen wurden.
Man beachte die seltsame Kleidung. Jeder von uns hatte so seine eigene Art, sich vor der ständigen kalten Zugluft zu schützen. Besonders dann wenn es mal wieder über einen längeren Zeitraum keinen Aushub zu transportiern gab.
Bretter am Stollenboden erleichtern das Ziehen der Wannen. Da der Stollen verschiedene Biegungen und Hindernisse aufwies, mußte jeder Abschnitt separat bemannt werden, um einen reibungslosen Transport zu gewährleisten. Die Außenmannschaft transportierte das anfallende Material mit einer ausgeklügelten Seilbahnkonstruktion zu Tal. Die ganze Vorrichtung kann komplett von einer einzelnen Person bedient werden. Das Umkippen der Gondelwanne und damit das Entleeren am unteren Ende der Seilbahn erfolgt automatisch. Einziger Wegweiser war der ständig vorhandene Luftzug, der allerdings nicht unproblematisch war: Mit Hilfe von Rauchversuchen konnten wir dem Verlauf folgen, der allerdings keineswegs die direkteste Verbindung zwischen Stolleneingang und Höhlenbeginn darstellt. Bisweilen schlug die Luft zunächst unverständliche Richtungen ein, etwa, wenn dichte Lehmpackungen im Untergrund einen Umweg erzwangen.
Als wir endlich die massive Felswand erreicht hatten, fand sich dort nicht der ersehnte Höhleneingang. Statt dessen verzweigte sich der Luftzug in verschiedene kleine Spalten und wurde dadurch so schwach, daß der weitere Verlauf nicht immer sicher festzulegen war. Erste Hinweise darauf, daß wir dennoch den richtigen Weg eingeschlagen hatten, fanden wir auf einigen zu Tage tretenden Blöcken: Sie wiesen teils Verrundungen und teils muschelförmige Aushöhlungen auf, wie sie nur durch fließendes Wasser entstehen können und wie wir sie auch von anderen Wasserhöhlen kennen.
So ergab sich nach 2,5 Jahren folgendes Bild: 54 m Länge, 13.000 Eimer Steine = 160 t, 2,5 Jahre an 140 Tagen durchschnittlich 8 Personen, insgesamt 7.840 Arbeitsstunden, Mensch- und Materialaufwand ca. 100 000 Euro  – aber noch nicht der erhoffte Vorstoß in die vermutete Höhle.
Daß diese Arbeit von knapp 20 Mann bewältigt werden konnte, ist nicht zuletzt der großen Motivationskunst und Arbeitsleistung unseres Grabungsleiters Manfred Walter zu verdanken.

Der Durchbruch
Den ersten Durchbruch schafften wir am 17.12.2000: Wir erreichten endlich einen natürlichen, nicht verstürzten und nicht sedimentgefüllten Hohlraum, in dem der Luftzug wieder deutlich zu spüren war. Er verschwand im Blockwerk am Boden der kleinen Kammer. Dort mußte eine Passage auf eine Tiefe von vier Metern freigelegt werden: Hinter einer Engstelle öffnete sich ein Gang, der gebückt zu begehen war und dessen Ende in geheimnisvollem Dunkel verschwand.

Der zweite, eigentliche Durchbruch glückte hier am 03.01.2001:
Der letzte Stein ?

Die drei Karstprinzen, die Glückspilze, die am richtigen Tag zur richtigen Stelle waren, Dieter Gebelein, Steffen Hoffmann und Manfred Walter, begnügten sich mit einem Blick ins Unbekannte und setzten für den 05.01.2001 einen Neulandvorstoß durch die gesamte Karstgruppe Mühlbach an.

Dieser Vorstoß wurde generalstabsmäßig geplant und bis ins Detail vorbereitet, damit jeder gebührenden Anteil an der Entdeckung nehmen konnte: Die Mitglieder der KGM wurden in drei Gruppen eingeteilt, die mit einstündigem Abstand jeweils ca. 50m weiter als die Vorgänger vorstoßen und die zurückgelegte Wegstrecke zugleich mit Maßband und Kompaß provisorisch protokollieren sollte.

Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen und wurde noch in der Nacht gebührend gefeiert.Am nächsten Tag fand dann ein weiterer Vorstoß statt, der nach einem knappen Kilometer, vorbei an zahlreichen riesigen und unerkundeten Seitengängen, auf offener Strecke, in einem Gang mit einem Durchmesser von mehr als 8m, abgebrochen wurde: Damit war in der fast 300jährigen Geschichte der Höhlenforschung auf der fränkischen Alb der erste Höhlenfluß entdeckt.